Olaf Strassmann führte eine Reihe von Gesprächen
Nach vierzehntägigem Aufenthalt ist der 1932 in Zechau-Leesen geborene Olaf Strassmann am Montag dieser Woche wieder nach Israel zurückgekehrt. Der bescheidene Zeitzeuge hatte nicht nur seine alte Heimat besucht, sondern stand im Rahmen eines von der Stiftung „Erinnerung-Verantwortung-Zukunft“ (EVZ) geförderten Projekts auch gleich mehrfach für Zeitzeugengespräche zur Verfügung.
Stets betonte der Sohn einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters, dass Altenburg für ihn nach wie vor die Heimat ist – auch wenn er bereits seit fast 66 Jahren im israelischen Rehovot lebt. Immer wieder kehrt Olaf Strassmann gern in seine Heimat zurück. Und auch diesmal war der Terminplan des 82-Jährigen wieder mehr als voll.
Neben einigen Gesprächen mit Freunden und Bekannten genoss es Olaf Strassmann, durch die Altenburger Innenstadt zu gehen – besonders das Areal um den Großen Teich stand immer wieder auf dem Besuchsplan. Aber Olaf Strassmann ist nicht nur ein Botschafter für die Stadt Altenburg, er ist auch wichtiger Zeitzeuge. Denn bereits in frühester Kindheit wurde er ausgegrenzt, angefeindet und später war sogar sein Leben bedroht: 1938 aus der öffentlichen Schule verwiesen, musste Olaf Strassmann zeitweise im Jüdischen Kinderheim in Leipzig leben, um die Ephraim-Carlebach-Schule besuchen zu dürfen. Später hatte er in Altenburg den brandmarkenden „Judenstern“ zu tragen, kam 1943 mit seinem jüngeren Bruder Joachim erst in eine Waisenstation des Jüdischen Krankenhauses in Berlin und von dort ins Ghetto Theresienstadt. Hier standen beide später auf einer Deportationsliste nach Auschwitz und konnten nur knapp – und nur durch die Intervention Olaf Strassmanns – dem Tode entfliehen. Der Familienvater war schon 1941 umgekommen, Augenzeugen berichteten später von einer Erschießung.
Bei all den Schicksalsschlägen, die Olaf Strassmann schon beginnend ab dem sechsten Lebensjahr erleiden musste, mag es verwundern, dass er beim Erzählen seiner Geschichte immer wieder ein verschmitztes Lächeln aufsetzt und die schrecklichen Informationen durch eine witzige Anekdote erträglicher macht. Diese Erfahrung durften in der Vorwoche Schüler des Christlichen Spalatin- und des Friedrichgymnasiums machen, denen Olaf Strassmann Rede und Antwort stand. Und der Kommunalpolitische Ring Altenburger Land e.V. (KORA) ließ ein Gespräch mit dem bescheidenen Zeitzeugen audiovisuell aufzeichnen. Das Zeitdokument soll noch aufgearbeitet werden und könnte später in Schulprojekten Einsatz finden. Neben seiner frühen Kindheit in Altenburg, dem Verlust des Vaters, der Schulausweisung, den Tagen im Kinderheim, der Zeit im Berliner Waisenheim, den Erfahrungen im Ghetto Theresienstadt und der Rückkehr nach Altenburg werden auch die ersten Nachkriegsjahre in Rositz und die Ausreise thematisiert.
Die vielen – auch individuellen – Gespräche mit Olaf Strassmann haben bleibenden Eindruck hinterlassen und die vielen Geschichten – egal ob erschreckend, ergreifend oder amüsant – werden den KORA-Mitgliedern noch lang im Gedächtnis bleiben.
Der Verein möchte sich herzlich bei allen Beteiligten für die erfolgreiche Durchführung des Zeitzeugenprojekts bedanken. Neben Olaf Strassmann, der einen beeindruckenden und umfassenden Einblick in sein Leben geboten hat, gilt auch besonders Dr. Christa Grimm großer Dank, die die Begegnung mit vorbereitete und begleitete. Ebenfalls gedankt sei der Stadt Altenburg, dem Christlichen Spalatin-Gymnasium, dem Friedrichgymnasium und dem Parkhotel Altenburg für die Mitwirkung sowie der Stiftung Erinnerung-Verantwortung-Zukunft (EVZ) für die finanzielle Unterstützung.
Der Kommunalpolitische Ring Altenburger Land e.V. wendet sich neben der Aufbereitung der Erlebnisse der Zeitzeugenbegegnung auch neuen Projekten zu. Auf dem Terminplan stehen für die KORAner ein vereinsinternes Sommerfest, eine Mitgliederversammlung mit der Neuwahl des Vorstands, ein Stadtrundgang zum 25. Jahrestag der friedlichen Revolution, eine Buchpräsentation im Spätherbst und die Ausgestaltung des Pogromnacht-Gedenkens.
Kommunalpolitischer Ring Altenburger Land
Vorstand
Besuch in der Heimat: Olaf Strassmann in Altenburg
Wenn Olaf Strassmann Altenburg besucht, merkt man ihm an, dass er in seine Heimat kommt. Stets hat er ein volles Programm, denn es gilt, Freunde und Bekannte zu besuchen, das altstädtische Flair zu genießen und viele Gespräche zu führen.
Diesmal ist Olaf Strassmann, der 1932 in Zechau-Leesen geboren wurde und mit seiner Familie 1934 nach Altenburg zog, auf Einladung seiner Freundin Dr. Christa Grimm, der Stadt Altenburg und dem Kommunalpolitischen Ring Altenburger Land e.V. (KORA) hier. Vierzehn Tage weilt der Herzens-Altenburger, der im israelischen Rehovot lebt, im Altenburger Land und absolviert dabei auch einige organisierte Termine. Denn Olaf Strassmann ist nicht nur ein Botschafter für die Stadt, er ist ein wichtiger Zeitzeuge: Als Kind einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters geriet er schon in den frühesten Kindestagen in die Unrechts-Maschinerie der Nationalsozialisten.
Olaf Strassmann musste im Herbst 1938 die öffentliche Schule verlassen, obwohl er gerade erst eingeschult worden war. Genau wie seine Geschwister und jüdischen Altersgenossen waren jüdische Kinder auf öffentlichen Schulen nicht mehr erwünscht. Am 28. Oktober 1938 wurde Olafs Vater Philipp Strassmann aus Deutschland ausgewiesen, ohne dass er sich hätte von seinen Lieben verabschieden kön-nen. Er wurde 1941 ermordet, was seine Frau und die Kinder offiziell erst 1944 erfuhren.
Kurz nach der Ausweisung des Vaters kam Olaf Strassmann ins Jüdische Kinderheim nach Leipzig und besuchte die Ephraim-Carlebach-Schule. 1941 kehrte er zur Mutter nach Altenburg zurück. Diese hatte zumindest für die drei großen Kinder noch im Herbst 1939 eine Ausreise nach Palästina ermöglichen können und lebte mit dem Kleinsten, Bruder Joachim, in einer sehr kleinen, ärmlichen Wohnung im Haus Rossplan 22. Ab 1942 musste Olaf Strassmann den brandmarkenden „Judenstern“ tragen. Als seine Mutter im Jahr 1943 wegen einer freundschaftlichen Beziehung zu einem französischen Kriegsgefangenen zu einer Zuchthausstrafe in Ziegenhain bei Kassel verurteilt wird, schien das Schicksal der Kinder besiegelt. Und doch betont Olaf Strassmann immer wieder, dass es gerade ein Gestapo-Mann war, der ihm und seinem Bruder das Leben rettete. Niemand Geringeres als sein ehemaliger Klassenlehrer schaffte es schließlich, beide Brüder in einer Waisenstation im Jüdischen Krankenhaus Iranische Straße in Berlin unterzubringen. Es ist nachdenkenswert, dass ein Gestapo-Bediensteter sich um das Wohl zweier „halb-jüdischer“ Kinder bemühte.
Am 10. März 1944 wurden Olaf und Joachim Strassmann von Berlin aus nach Theresienstadt ins dortige Ghetto deportiert. Als ob die Trennung von Vater, Mutter und Geschwistern, die Brandmarkung durch den „Judenstern“ und die Deportation in das Ghetto nicht Schicksal genug gewesen wären, standen die Brüder eines Tages auf einer Transportliste nach Auschwitz. Olaf Strassmann hatte von Mithäftlingen gehört, was die Umsiedlung in ein „neues Lager“ bedeuten würde und war gewarnt. Dass beide eine Christin zur Mutter hatten, sollte ihnen nun das Leben retten – und der Einsatz von Dr. Fritz Grunsfeld, ebenfalls ein Internierter des Ghettos und Rechtsanwalt. Dessen Intervention führte zur Streichung beider Namen auf der Deportationsliste – und damit zum Überleben. Nach der Befreiung Theresienstadts durch die Rote Armee kehrten Olaf Strassmann und sein Bruder im Frühsommer 1945 nach Altenburg zurück und konnten endlich die bereits 1944 nach Altenburg zurückgekehrte Mutter in die Arme schließen. 1945 zog die kleine Familie in die frühere Heimat Rositz, bevor sie 1948 schließlich Deutschland ganz in Richtung Palästina verließ.
Trotz dieser einschneidenden Erlebnisse ist wohl jeder Gesprächspartner stets aufs Neue verblüfft, welche Lebensfreude und Zufriedenheit Olaf Strassmann ausstrahlt und wie er immer wieder die positiven Erlebnisse herausstellt und die negativen in den Hintergrund rückt. Olaf Strass-mann ist ein beeindruckender Zeitzeuge und so wird er am Montag und Dienstag der nächsten Woche im Spalatin-Gymnaiusm und im Friedrichgymnasium Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort stehen – oft schon hat er sich hierfür angeboten und damit dafür gesorgt, dass seine Geschichte nicht in Vergessenheit gerät, wenngleich der bescheidene Olaf Strassmann selbst eher in den Hintergrund der Erzählungen rückt.
Bereits in dieser Woche traf Olaf Strassmann Altenburgs Oberbürgermeister Michael Wolf, der ihn in Altenburg begrüßte. Auch die Brüderkirche besuchte er, als beim Mittagsgebet am Mittwoch dem ehemaligen Pfarrer Michael Wohlfarth zum Geburtstag gratuliert wurde. Darüber hinaus werden Mitglie-der des Kommunalpolitischen Rings Altenburger Land e.V. (KORA) Olaf Strassmann am Ende der Woche treffen und ein Zeitzeugengespräch audiovisuell aufzeichnen.
Am 29. Juni 2014 wird Olaf Strassmann noch Erfurt einen Besuch abstatten, bevor er zurück in seine Heimat fliegt. Eines steht schon heute fest: Altenburg wird er in seinem Herzen wieder mit nach Israel nehmen.
Die Zeitzeugenbegegnung wird finanziell unterstützt von der Stiftung Erinnerung-Verantwortung-Zukunft (EVZ).
Christian Repkewitz